Ein Stoff ist an der Göttinger Universität häufig und in vielerlei Gestalt vertreten: Glas. Es taucht als Behältnis, als Bildträger, als optisches Hilfsmittel, als Schmuck oder Architekturelement an so verschiedenen Instituten wie der Physik, der Chemie, der Kunstgeschichte oder der Ägyptologie auf. Glas war immer wieder eng und spektakulär mit der Entstehung neuen Wissens verbunden. In Forschung und Lehre sind Glasobjekte bis heute vielfältig eingebunden, etwa wenn Glas in Mikroskopen unscheinbare Phänomene vergrößert, in Reagenzgläsern Flüssigkeiten begrenzt oder als Filter Licht verändert. Doch das Material selbst gibt den Wissenschaften immer noch Rätsel auf: Wie Glas entsteht und was es ausmacht, darüber wird in der Materialforschung unermüdlich diskutiert.
2022 haben die Vereinten Nationen als das Internationale Jahr des Glases ausgerufen, um auf die hohe gesellschaftliche Relevanz des Materials aufmerksam zu machen. Dabei erscheint unsere emotionale Beziehung zu Glas ambivalent: Als schimmernder wie extrem formbarer Werkstoff kann Glas faszinieren, als glatte und kühle Fläche abweisen, als leicht zerbrechliches wie leicht ersetzbares Material wertlos erscheinen. Glasspiegel liefern ein intimes Bild von uns selbst, während durchsichtige Gläser in Brillen, Fenstern oder Touchscreens uns kaum wahrnehmbar von der Welt trennen. Studierende der Universität Göttingen gingen diesen Ambivalenzen im vergangenen Wintersemester im Rahmen eines Seminars nach und spürten verschiedenste Glasobjekte in den Sammlungen und Werkstätten auf dem Göttinger Campus auf. Ihre Ergebnisse gingen in die Konzeption der Ausstellung ein, die mit dem Titel „Vorsicht! Glas!“ den Blick auf die Vielfalt von Glas in Wissenschaft und Alltag richtet. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen war die Einsicht, dass die Funktionalität von (un)sichtbarem Glas immer begleitet wird von einer besonderen Materialität. Dabei entstanden neue Perspektiven auf Glas als Alltagsding, in seiner Rolle als optisches Medium, als zentraler Bestandteil von Displays oder als Material.